Gut Gemeint

Collaboration with Julia S. Goodman
Mixed media installation, 2023
Exhibition View Belvedere 21, Vienna, Austria

If the disciplines of still-life and genre paintingfrom the 17th century Dutch Golden Age were tobe reinvigorated today, the extraordinariness oftheir handicraft and the display of then luxuriousgoods or everyday activities wouldn’t suffice tosatisfy our contemporary eyes. The abundance ofscenes by the likes of Pieter Aertsen, Pieter Claeszor Floris van Dyck would appear shallow andrepetitive were it not for the seasoning to tasteby those who try to cook by their recipe: WellIntended by artists Gabriele Edlbauer and Julia S.Goodman adds to the table by putting cheese atthe center of it.Their approach is articulated in several narrativestrands which all depart from or arrive at one largescalepainting. It renegotiates the boundariesof the exhibition architecture by sticking over thewalls and being seemingly supported by cheesewheels at its base. The mobility of the display ismade static, set up like a ride at a county fair.And while the whole installation is indeed basedon the idea of county fair pleasures and horrors,the painting itself holds space for a gouda eatingcompetition, visibly sponsored by Old Dutch Master,an overly clear reference and real-life cheesebrand incidentally made fictitious here. Theparticipants stuff their mouths and chug milk outof large glass bottles to help the precious cheeseslide down their digestive tracts. Accompanyingthis central, referee-certified event are equallycarnivalesque scenes of people eating and feelingsick from overeating as well as entertainmentsof all sorts, for example a revolving ride withcheese cups or downhill cheese rolling.The richness in flavor of collaborative grandeurbetween Edlbauer and Goodman lies in the complexrelationship of the many objects to the whole,in their joint sculptural as well as in their individualworks: While renouncing the trompe-l‘oeilof long canonized masterly painting practices,they transport the intended three-dimensionalityquite literally into the exhibition space. Thus, allkinds of zany characters join around the painting,some under a towering crane. Few of themare more innocent than they appear, while mostsubtly yet significantly twist the conception of afun family event. Merging carefully crafted withspeedily made elements which in their combinationrange from goofy puns made manifest touncanny political chasms, the carousel of narrativecompartmentalization ultimately producesa multi-course visual feast with one recurringingredient: cheese. Over-consumption, aestheticallyand conceptually so, sparing us at least ofolfactorily hardships – well intended.

Text by Andrea Kopranovic
Photos by Kunstdokumentation

Le bon Dieu est dans le détail 

So unbeeindruckt wie die kunstvoll gewebten Netze von Spinnen davon sind, woran sie anknüpfen, sind Gabriele Edlbauer und Julia S. Goodman, von der Sache, der sie sich annehmen: es geht um das Ganze und spürbar um dessen Bedeutung. Es verhilft den überbordenden, üppigen Rauminstallationen zu ihrer Hermetik, gewebte Verbindungen in sich zu haben. Worauf genau sie aber zulaufen, ist schließlich nicht mehr so bedeutend, denn die Bedeutung wuchert sofort für sich los und macht sich selbstständig. Alles dreht sich um das Viel-zu-Viel an lesbarer Information. Das gemeinsame Werk von Edlbauer und Goodman ist witzig, akribisch, detailverliebt, selbstironisch und souverän.

Indem eine Narration mit einer anderen verwebt wird – und diese mit wieder einer anderen, wird Unbedeutendes gleichbedeutend mit Bedeutendem, Profanes heilig und umgekehrt. Die Deutungshoheit steht in Frage. Ein Witz neben dem anderen, ein lautloser Rundumschlag aus kleinen Seitenhieben auf die Verschrobenheit der gesellschaftlichen Wahrnehmungen und ihrer Problematiken überhaupt: Müssen die denn sein? Was erhitzt nicht alles die Gemüter, was eigentlich niemandes Sache ist! 

Die Ekphrase (das ist die haarfeine Beschreibung von Gegenständen) war Flauberts bevorzugtes künstlerisches Mittel. Von ihm stammt das Zitat im Titel: Der liebe Gott ist im Detail. Wir kennen das landläufig nur noch zu „Der Teufel steckt im Detail“ abgewandelt – wohl, weil ganz offenbar die Fähigkeiten zur Erfassung und Beschreibung von Details im Allgemeinen nachgelassen haben. Alles ist „komplexer“, das Detail ist (schon bald nach Flaubert und Aby Warburg) nicht mehr zu bewältigen. 

Exkurs: Der digitale Neopopulismus, der um die Jahrtausendwende herum angebrochen ist, hat alle aus seiner Sicht notwendigen neoliberalen Reformen damit begründet, dass die Welt nicht mehr so einfach wäre, sondern komplexer geworden sei. Der Detailreichtum der Welt ist nur noch für Spezialist*innen (wie Gruselkanzler Wolfgang Schüssel beispielsweise, den wir hier zitieren) im Ganzen zu erfassen und zu bewältigen. Dafür gibt es ja den technischen Fortschritt: Detailerfassung gelingt nur maschinell und statistisch.

Damit ist der Boden des Gegenwarts-Bewusstseins aufbereitet: Hyperkontemporäre (Edlbauer) und meta-ikonographische (Goodman) Horizonte vereinen sich und lassen mal ordentlich die Sonne auf- und untergehen. Die kollaborativen Arbeiten sind so ausgedacht, dass in der kompletten und exakten Beschreibung aller (!) Details erst einmal genau das erfasst ist, was zur Diskussion steht. Jedes Detail ein Hinweis. Jeder Hinweis ein beschreibbarer Hintergrund, Erzählung über Erzählung (in jedem Sinn). 

Das ist der Witz, über den wir herzhaft lachen, wenngleich die Analyse eines Witzes nie witzig ist. Wir stehen vor einem aus unzähligen Kunstwerken zusammengesetzten Kunstwerk, das in sich kommuniziert und das für uns eine genaue Lektüre erforderlich macht. Besser: machen würde. Denn die Intelligenz widersetzt sich und wir empfinden das als Zumutung. So glotzen wir lieber ein bisschen das an, was uns zu viel ist. Ha! Und alles ist perfekt, was wir da anglotzen. Jede Einzelheit zählt, alles zusammen erzählt. 

Es gibt keinen Zufall und kein Eselsohr. Das kleinste Detail muss Bedeutung haben, sonst hat doch gar nichts mehr Bedeutung. Mit analogen Informationen überfüttert, von dieser Kunstfertigkeit und Ordnung überwältigt, von all dem Wissen und all den Assoziationen überrollt, und dann noch in die Falle von genauer Eingrenzung und Kalkül gelockt, soll den Betrachtenden vorgeführt werden, dass es hier gar nichts Besonderes zu finden gibt, wo doch alles besonders ist. Nur Käse zum Beispiel, beziehungsweise etwas, das so aussieht, und das sich so präsentiert. 

So landen wir also bei der guten alten Repräsentation, bei der Darstellung dessen, wie wir das einzelne verstehen sollen, wie die Dinge sind, wie sich zeigen, worauf sie verweisen und wofür wir sie halten. Nur dass bei aller Ordnung gerade hier kein Stein auf dem andern bleibt, entgeht uns leicht, weil nichts „echt“ ist und alles perfekt gefälscht. Was auch immer aussieht wie ein gefundenes, industrielles Objekt, ist selbst gemacht. Das Material ist stets ein anderes, als man denkt, die Oberfläche eine täuschend echte Darstellung der Wirklichkeit. 

Das Verhältnis von Illusion zu Täuschung schließlich gilt als zentrale Differenz an der Schwelle zur Aufklärung: Erstere kunstfertig und verspielt, letztere böswillig und zum eigenen Vorteil, erstere ein Vehikel, letztere ein Hindernis in Bezug auf die Erkenntnis unserer Wirklichkeit. Zur gelungenen Erkenntnis mittels einer Illusion gehörte der Vorgang der Ent-täuschung. Bei Edlbauer/Goodman gibt es diese wie als Ware sowohl en gros als auch natürlich en détail: „Le Mari du Président“ (um hier ganz am Ende des Textes auch ein konkretes Beispiel anzuführen), die Marke auf dem zweifellos echt und appetitanregend wirkenden Käselaib aus Gips, nun, liebe Kunst- und Käsefreund*innen, wohl zu eurer Enttäuschung: sie existiert nicht wirklich.

Text by Thomas Brandstätter